Warum ich Dich Sieze...

Über die Balance von Distanz und Nähe...

Das "Du" ist das neue "Sie"- natürlich ist mir das bewusst. Es begegnet mir überall. Es trifft genau den Nerv der Zeit. Es ist ein Trend. Das "Du" macht vieles einfacher, es schafft Nähe, es baut Hürden ab. Es macht uns gleicher. Kaum ein Blog oder Artikel, in dem ich nicht sofort geduzt werde, aus dem nicht die Botschaft dringt: "...ich bin wie Du..." Du, Du, Du..! Ach ja, wirklich?

Darf ich ehrlich sein? Ich fühle mich manchmal überrollt von zuviel ungefragter Nähe, von all dem Geduze und der übertrieben eifrigen Gleichmacherei. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das "Du" zu einer Art Strategie geworden ist, ein Erfolgsgarant für mehr Leser, mehr Kunden, mehr Klienten. Nur, dass es bei mir nicht so gut zu funktionieren scheint. Ich ertappe mich dabei, dass ich innerlich auf Abstand gehe, wenn mir die ganze klebrige Nettigkeit zu viel wird. Und es geht mir schwer über die Zunge dieses "Du", wenn ich es nicht wirklich will.

Bin ich deshalb steif? Nein, nicht wirklich! Bin ich oldscool? Vielleicht! Und wenn schon. Ich glaube nicht an Lösungen, die für alle gelten. Mögen alle Berater dieser Welt empfehlen, seine Blog-Leser und Klienten zu Duzen. Ich erlaube mir, es bewusst anders zu machen. Ich setze auf Freiwilligkeit und Individualität, auf selbstbestimmte Entscheidungen. Darauf, dass wahre Nähe weder vom "Du" noch vom "Sie" abhängt.

Meine eigenen Erfahrungen mit Klienten zeigen mir, dass der nötige Abstand im Coaching- und Beratungsprozess sogar außerordentlich wichtig ist, für meine Klienten und auch für mich selbst. Nähe und Distanz gehören dabei eng zusammen.

Ich fühle mich wohl dabei, die Menschen zu "Siezen". Nähe ist für mich es etwas dass wachsen darf, nichts was man sich aufsetzt wie einen Hut.
Verstehen Sie mich nicht falsch: so ein "Du" kann eine wunderbare Sache sein. Nur eben nicht immer und sofort. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie...;-)

Herzlichst, Ihre Claudia Bechert-Möckel

2015-07-31